Die Firma Edelrid dürfte mittlerweile jedem Kletterfreudigem ein Begriff sein. Mit der Erfahrung aus über 150 Jahren Firmengeschichte haben sie sich fest in ihren Geschäftsbereichen Sport, Safety, Customer Solutions und Adventure Park etabliert.
Angefangen mit Kordeln und Angelschnüren erfreuen sie die Kletterherzen momentan mit der Produktion von mehreren Millionen Metern Kletterseil pro Jahr.
Neben dem Kernmantelseil, erfanden sie ein schwimmfähiges Seil, welches nach allen drei möglichen Normen zertifiziert wurde (Einfach-, Doppel- und Zwillingsseil) und das erste PFC-freie Kletterseil, dass den UIAA-Standard für wasserabweisende Seile erfüllt.
Im folgendem Bericht werden wir das Edelrid Eagle Lite Pro dry 9,5 mm, ihr Klassiker der Pro Line in zweiter Generation, in Augenschein nehmen.
Facts
Thema | Info |
---|---|
Material | Kernanteil: 64 % Mantelgewicht: 36 % |
Größen | 50 m/ 60 m/ 70 m / 80 m bei einem Durchmesser von 9,5 mm |
Farben | Bright Green / Neon Coral |
Gewicht | 62 g/m |
Preis | 169,95 Euro |
Erster Eindruck und Verarbeitung
Das Edelrid Eagle Lite Pro dry ist bei einem Durchmesser von 9,5 mm in 4 verschiedenen Längen von 50, 60, 70 oder 80 m entsprechend den Vorlieben und unterschiedlichen Einsatzgebieten erhältlich. Es liegt mit seinem Gewicht von 62 g/m erstaunlich leicht in der Hand, ohne dabei an Griffigkeit einzubüßen.
Der Kletterer kann sich zwischen zwei ansprechenden Farbtönen von Bright Green oder Neon Coral entscheiden.
Als Testobjekt erhielten wir das Seil in zweiterer Version und ich kann sagen, dass es ein richtiger Hingucker ist.
Die Verarbeitung scheint auf den ersten Blick sehr sorgfältig ausgeführt. Es gibt einem das Gefühl von Stabilität und Sicherheit und vermittelt zudem Qualität.
Praxistest
Bis in die 1960er Jahre benutzten Bergsteiger vorwiegend Kletterseile aus Hanf und Kunstseide. Während die erschwinglichen Hanfseile immer wieder mit unerfreulichen Seilrissen überraschten, entsprachen die Seile aus Kunstseide damals schon annähernd den heutigen Seilnormen, waren für die meisten Kletterer aber zu teuer.
Die heutigen Kletterseile bestehen vorwiegend aus Polyamid und weisen meist eine Kernmantelkonstruktion auf. Während der innere Kern aus miteinander verflochtenen Fasern die Hauptlast trägt, schützt der umgebende Mantel vor Beschädigungen.
Eine Ausnahme zur üblichen Kernmantelkonstruktion bilden Baumkletterseile. Diese Mantelkernseile besitzen einen höheren Mantelanteil, welcher die Hauptlast trägt.
Man unterscheidet im Generellen zwischen Statikseilen und dynamischen Seilen.
Statikseile haben meist einen Durchmesser zwischen 8,5 bis 16 mm und haben im Vergleich zu dynamischen Seilen eine geringere Gebrauchsdehnung von maximal 5 %.
Im Gegensatz dazu können dynamische Seile die Sturzenergie aufnehmen und den auf den Kletterer einwirkenden Fangstoß erheblich reduzieren. Deshalb finden sie beim alpinen Klettern, sowie Sportklettern ihre Verwendung.
Zu unterscheiden ist hier zwischen drei verschiedenen Arten.
So gibt es Halbseile, welche zum gleichzeitigen Sichern von zwei Nachsteigern verwendet werden.
Neben ihnen gibt es ebenfalls Zwillingsseile. Diese kommen nur im doppeltem Strang zum Einsatz und finden ihre Verwendung, wenn man längere Routen mit guten Zwischensicherungspunkten klettert und anschließend über diese dann auch wieder abseilt.
Als dritte Art der dynamischen Kletterseile ist schließlich das Einfachseil zu nennen. Zu dieser Kategorie gehört auch das Edelrid Eagle Lite Pro dry.
Einfachseile werden beispielsweise in Kletterhallen, im Klettergarten oder generell im alpinen Bereich eingesetzt. Der Durchmesser der Seile liegt hier meist zwischen 8,5 bis 11 mm. Somit liegt unser Testexemplar mit seinen 9,5 mm im guten Mittelmaß.
Entscheidend für die Wahl des Durchmessers ist aber letztendlich der Einsatzbereich, sowie die individuellen Vorlieben des jeweiligen Kletterers. Für mich persönlich ist ein 9,5er Seil die richtige Wahl, da es nicht zu dünn und somit angenehm in der Hand liegt und nicht zu dick und somit nicht zu klobig und schwergängig in den Exen etc. läuft. Letztendlich wirkt sich der Durchmesser natürlich auch bemerkbar auf das Gesamtgewicht aus, welches man so gering wie möglich haben möchte.
Für ein sicheres Klettererlebnis muss ein Einfachseil diverse Anforderungen der Europäischen Norm EN 892 erfüllen. So muss es ohne weiteres mindestens 5 Stürze mit 80 kg Sturzgewicht bei einem Sturzfaktor von 1,75 aushalten.
Die Fangstoßkraft beim ersten Normsturz darf maximal 12 kN betragen, während das Seil sich bei einer statischen Belastung mit 80 kg maximal 10 Prozent und bei dem ersten Normsturz um maximal 40 % ausdehnen darf.
Des Weiteren darf die Knotenweite, gemessen an einem Überhandknoten unter definierter Belastung, maximal dem 1,1-fachem des Seildurchmessers betragen, während sich der Mantel maximal um ein Prozent verschieben darf.
Edelrid gibt in den technischen Informationen zum Eagle Lite Pro dry eine dynamische Dehnung von 31 %, einen Fangstoß von 9,30 kN, eine statische Dehnung von 7,50 und eine Sturzanzahl von 10 an. Das Edelrid Eagle Lite Pro dry erfüllt also die Anforderungen der Europäischen Norm EN 892 mit Bravur und erhielt die Zertifizierung. Somit gibt es keinerlei materialbedingte Bedenken und einem sicheren Klettererlebnis sollte nichts im Wege stehen.
Geeignet ist das Seil im Generellen für den Einsatz beim Alpin-, Allround-, Sport-, oder auch Tradklettern.
Getestet wurde es in diversen Kletterhallen des Stuttgarter Raumes, sowie an unterschiedlichen Outdoorkletterwänden in der Fränkischen Schweiz und dem Schwarzwald. Nach einer Faustregel gilt: Je dicker das Seil ist, desto reißfester ist es auch.
Durch moderne Herstellungsverfahren und spezielle Fasern jedoch, sind heutzutage aber auch durchaus dünnere Einfachseile enorm reißfest.
Edelrid verwendet modernste Garne, welche zu ausgewogenen technischen Werten führen und das Seil äußerst stabil machen. Auch der recht hohe Mantelanteil lässt das Seil robust erscheinen und schafft zusammen mit der hohen Normsturzzahl Vertrauen an der Wand. Für mich kommt es aufgrund dessen in erster Linie auf ein optimales Handling an. So liegt das Seil mit 9,5er Durchmesser für mich perfekt in der Hand und es lässt sich, nicht zuletzt dank einer Thermo Shield Behandlung, äußerst angenehm damit klettern.
Ein hochwertiges Einfachseil sollte optimal durch das Sicherungsgerät laufen. Bei dem Edelrid Eagle Lite Pro dry fühlte sich die Seilreibung in den Expressen sehr geschmeidig an. Zudem läuft es im Grigri 2 und Click-up einwandfrei durch.
Auch das Ablassen ist trotz des geringen Durchmessers kein Problem.
Ein hochqualitatives Seil sollte zudem nicht so leicht verkrangeln, also sich nicht in sich verdrehen. Mit dem Eagle Lite Pro dry bin ich in dieser Hinsicht absolut zufrieden. Kam es hier und da zwar zu einer geringfügigen Krangelbildung, gelang es Edelrid aber dank 3D-Lapcoiling dieses in annehmbarem Maße zu halten.
Klettert man im Freien, beispielsweise in Klettergärten, empfiehlt es sich über ein Einfachseil mit Imprägnierung oder spezieller Beschichtung nachzudenken. Dadurch nimmt das Seil weniger Schmutz und Feuchtigkeit auf und die Lebensdauer erhöht sich um ein Vielfaches.
Das Eagle Lite Pro dry ist dank der Pro Dry Ausrüstung dauerhaft wasser- und schmutzabweisend und die Wasseraufnahme liegt gemäß des UIAA Water Repellent Tests unter beeindruckenden 2 %.
So überstand das Seil im Test diverse Starkregenschauer weitestgehend trocken. Auch der feuchte Dreck konnte sich am Seil nicht halten. Zudem fördert die Imprägnierung das leichte, geschmeidige Handling enorm.
Vor Gebrauch, insbesondere von Kletteranfängern, empfiehlt es sich ausdrücklich die hilfreiche Gebrauchsanweisung des Herstellers Edelrid zu lesen. Hier bekommt der Benutzer in Kürze wichtige Infos zur korrekten Verwendung unterschiedlicher Seiltypen in Bezug auf Umlenk- und Abseilaktionen etc., sowie diverse Sicherheits- und Pflegehinweise.
Zusammenfassend ist darauf zu achten, dass das Seil nie mit ätzenden und aggressiven Stoffen wie Laugen, Öle oder angreifende Putzmittel in Berührung kommt und stets vor extremen Temperaturen, sowie übermäßiger Nässe etc. geschützt wird.
Der Bereich zwischen -35 bis +55 Grad Celsius ist im trockenen Zustand als Gebrauchstemperatur angegeben, welches das Seil wohl für den Großteil der Kletterer als absolut tauglich für die meisten Abenteuer erscheinen lässt.
Das Seil sollte stets sorgsam behandelt und vor allem richtig gelagert werden. Der optimale Aufbewahrungsort ist kühl und trocken. Das Seil sollte zudem außerhalb von Transportbehältern, am besten in einem Seilsack vor Tageslicht, insbesondere vor direkter Sonneneinstrahlung geschützt gelagert werden.
Es ist ebenfalls recht wichtig darauf zu achten, dass das Seil beim Transport oder Lagerung keinen konstanten mechanischen Einflüssen ausgesetzt wird, d.h. es nicht gequetscht oder gezogen wird. Kommt es doch einmal zu gröberen Verschmutzungen, sind handelsübliche Desinfektionsmittel oder pH-neutrale Synthetik-Waschmittel zu benutzen.
Geht man mit dem Eagle Lite Pro Dry pfleglich um und hält sich an die Aufbewahrungsregeln, dürfte vielen Freude bringenden Klettereinsätzen nichts im Wege stehen.
Die maximale Lebensdauer des Seils liegt bei perfekten Lagerungsbedingungen und Nichtgebrauch bei 12 Jahren. Wird es lediglich gelegentlich und sachgerecht benutzt begleitet einem das Seil ca. 10 Jahre.
Unterliegt das Seil jedoch extremen Bedingungen und wird sehr häufig benutzt mit jeder Menge Abseilarbeit, Sturzbelastungen, Verschmutzungen und starkem mechanischen Abrieb beispielsweise am rauen Felsen oder scharfen Felskanten, kann es durchaus auch vorkommen, dass man gezwungen ist das Seil schon nach wenigen Wochen auszutauschen.
Für Freunde der nachhaltigen Produktverwendung, hat Edelrid am Ende der Bedienungsanleitung noch ein Schmankerl.
Hier erhält man nämlich noch eine ausführliche bebilderte Anleitung wie man aus seinem abgenutzten Seil einen feinen Seilteppich in Eigenregie fabriziert.
Eine schöne Idee, welche ich auf jeden Fall ausprobieren werde.
Pro / Contra
Pro
- Sehr gutes Handling
- Äußerst leicht
- Gutes Preis-Leistungsverhältnis
- Langlebig
- Robust
Contra
Fazit
Nach zahlreichen Höhen und Tiefen des Unternehmens, wie zwei verheerenden Bränden oder einem Kauf mit dem darauffolgendem Verkauf, ist es umso erfreulicher, dass Edelrid sämtliche Hürden bewältigen und mit dem Eagle Pro Lite Dry ein hervorragendes Kletterseil herstellen konnte.
Mit dem Klassiker in ihrer Pro Line gelingt es Edelrid das Kletterherz mit einem robustem und doch leicht in der Hand liegendem Einfachseil zu erfreuen.
Es punktet mit einem optimalen Handling und einer geschmeidigen Leichtläufigkeit in den Exen.
Abgerundet wird die Performance durch erfreuliche schmutz- und wasserabweisende Eigenschaften, so dass einem langem Kletterspaß nichts im Wege zu stehen scheint.
Alle Praxistests auf Outdoortest.info werden gemäß dem Outdoor Blogger Codex durchgeführt und sollen dem Benutzer sowohl die positiven aber auch negativen Aspekte des Produktes aufzeigen.
2 Kommentare
welches Klettergebiet ist auf den Fotos zu sehen?
Hallo Tom !
Bei dem Fels von den Fotos handelt es sich um einen stillgelegten Steinbruch, zu welchem ich gerne für spontane Übungseinheiten gehe. Für spaßbringende Sessions mitten in der Natur würde ich da eher die Klettergebiete im Frankenjura (Ettringen, Kottenheim…), in der sächsischen Schweiz, im Blautal, im Harz oder im Schwarzwald empfehlen. Zur genaueren Auskundschaftung bieten sich diverse Kletterführer der jeweiligen Regionen an. Empfehlen würde ich da vielleicht die “Panico-Führer”, welche auf die Erfahrung von über 40 Jahren zurück blicken können und zudem mit dem Gütesiegel “naturverträglich Klettern” versehen sind, welches aufzeigt, dass diese den Belangen natur- und umweltverträglichen Kletterns in besonderem Maße gerecht werden.
Viel Spaß bei deinen zukünftigen Abenteuern
Matthi