Es gibt ja viele Sportarten, in die Kinder hineinwachsen, weil ihre Eltern diese mit Freude oder auch tatsächlicher sportlicher Disziplin und Ehrgeiz verfolgen. Leider ist auch häufig zu beobachten, dass es den Anschein hat, als sollten die Kinder die Erfolge erzielen, zu denen es den Eltern nicht reichte, ob die Kinder das wollen oder nicht. Aber das ist ein ganz anderes Thema.
Beim Wandern ist das eigentlich nicht anders. Die Kinder lernen von klein auf den Kontakt zu den Bergen, hoffentlich auch den Respekt vor der Natur und ihren Gewalten, lernen Hütten, Gastfreundschaft, Kameradschaft und die eher spartanische Lebensweise in den Bergen kennen.
Ich bin froh, dass wir unsere Kinder erst in der Kraxe und dann ab drei zu Fuß mit in den Bergen hatten. Dies ermöglichte uns, all diese Jahre nicht ohne Berge auskommen zu müssen, gemeinsame Erlebnisse in der Natur und den Kindern von Anfang an den Umgang mit und in den Bergen.
Die Begeisterung bei den Kindern ist ……. nicht durchgängig vorhanden. Und das liegt nicht an der Tourenplanung. Ich denke, dass es schon eine besondere Sportart ist, bei der sich die Eltern gerne das Gepäck von ALLEN auf den Rücken packen und sich auch bei schlechtem Wetter stundenlang das Gemurre anhören, Tränen über Blasen trocknen, ihre (vielleicht sogar schlafenden) Kinder auf den eh schon müden Schultern tragen, wegen den lieben Kleinen erst mal in weiter Ferne der schönen Gipfel bleiben und trotzdem am Abend hoffentlich alle irgendwie zufrieden sind.
Nach anfänglichem Frust zu Beginn jeder Tour meinerseits (als die Kids so 4-7 Jahre alt waren), der mit Überlegungen einher ging wie: „Was tue ich da meiner Familie und auch mir nur an?“, hatte ich mir angewöhnt die Warmgehphase (erste ½ bis ¾ Stunde nach Tourbeginn) geflissentlich zu überhören. Denn in dieser Zeit hörte ich so ziemlich alles: mir ist zu kalt, mir wird zu heiß, die Schuhe drücken, die Socken reiben, die Hose sitzt zu locker oder zu eng, wie lange geht’s noch (nach 30 min???!!!) und überhaupt, ich muss ja schwitzen! Oh weh! Nach diesem anfänglichen Genörgel in den ersten Jahren wurde es dann aber doch immer sehr sehr nett. Und zwar genau ab dem Moment, in dem sie sich wirklich auf die Wanderung eingelassen hatten. Als klar war, dass wir HEUTE (und zwar erst mal für viele Stunden) eben wandern und nicht nur kurz irgendwie. Als die Socken richtig saßen, die Schuhe warm waren, die Waden gedehnt durch die ersten Anstiege und der Tritt gefunden war. Natürlich muss die Tour nicht nur in Bezug auf die Länge gut ausgewählt werden. Bei uns ist nahezu immer ein Bach, am besten mit Wasserfällen und entsprechender Sicherung des Weges, ein Highlight. Überhaupt kommen Passagen mit Drahtseilversicherung, wenn sie nicht zu ausgesetzt sind, immer gut an. Abwechslungsreiche Wege, bitte fernab von geschotterten Arbeitswegen, sind ebenfalls ein Muss. Auch Grenzwanderungen regen die Phantasie an, wer hier wohl schon wandelte und wie das Leben an der Gebirgsgrenze wohl zu früheren Zeiten war.
Das Gefühl, wenn man nassgeschwitzt an der Alm von einer Ziegenherde begeistert begrüßt und ….ok mit einem Salzleckstein verwechselt wird. Der Geschmack einer deftigen Suppe auf einer Hütte, nachdem man stundenlang im Regen durch die Wolken stapfte. Die Kräfte, die man noch mobilisierte, wenn man zu der lang herbeigesehnten Pause aber auf jeden Fall noch auf den großen Felsblock klettern wollte. Die Erfrischung, wenn man seine Schwitzefüße in den eiskalten Gebirgsbach steckte bis man sie gar nicht mehr spürte. (Für die Älteren) Wie wir die Laschen an den alten Coladosen den ganzen Tag am Wegesrand einsammelten um abends zu schauen, wer mit den meisten „gewonnen“ hatte und der Stolz, wenn man sich endlich oben angekommen ins Gipfelbuch eintragen konnte! ….. All das sind unvergessliche Momente, die ich in mir trage.
Natürlich versüßt auch die Gesellschaft Gleichaltriger die meisten Wanderungen auf heilsame Weise.
Nicht jeder hat aber wanderwillige Familien mit ähnlichen Ambitionen im Freundeskreis. Für die, die dennoch gerne Gesellschaft hätten, kann ich nur den DAV oder sonstige Wandergruppen empfehlen. Aber auch gerade solche Wanderungen nur im Kreise der Familie haben einen ganz besonderen Zauber und schaffen unvergessliche Erinnerungen.
Unsere Tochter ist sehr kletterbegeistert, findet aber schwitzen beim Aufstieg total blöd. Unser Sohn hat’s nicht so mit der Höhe, dafür blüht er auf, sobald er Fels oder Wurzeln unter den Bergstiefelchen hat. Trotzdem finden beide nach einer langen Wanderung die Tour im Nachhinein toll (im Währenden nicht immer). Damit will ich sagen:
Wir können unsere Begeisterung den Kindern nicht überstülpen. Sie sind nicht wir und werden hoffentlich auch nicht genauso – sondern sie selbst! Was wir ihnen aber mitgeben können, und das am besten behutsam, ist die Begeisterung für die Natur, die Wildnis, die Tiere, die Berge und die Bewegung mit Abenteuerlust, Respekt und Können.
Nicht alle Kinder bleiben den Bergen aus eigenem Antrieb heraus durchgängig treu. Häufig gibt es im Teeny-Alter und als Jungerwachsene Phasen, in denen sie es einfach anders machen möchten, als das was sie kennen gelernt haben. Das ist auch völlig o.k.
Wenn dann aber, spätestens mit den eigenen Kindern, einem die Berge wieder einfallen und man sich fragt, warum man um Himmelswillen so lange nicht mehr dort war, dann haben die ELTERN alles richtig gemacht – denn der Keim für die Berge und das Wandern wurde schon damals gepflanzt.