Teuer gegen billig oder werthaltig gegen günstig?
Die Frage, ob Markenprodukte allgemein oder auch speziell im Outdoorbereich besser sind als No-name-produkte, stellt sich immer wieder und bewegt manche Gemüter hitzig und dauerhaft. Gerade im süddeutschen oder speziell schwäbischen Raum, wo den Menschen nachgesagt wird, sie seien besonders sparsam, wird hier mit spitzer Feder gerechnet.
Pro Markenprodukte
Wer ein hochwertiges Markenprodukt kauft wird auf den Firmenhomepages in der Regel nachlesen können, dass zu dessen Herstellung ausgewählte Materialien verwendet werden. Hierbei muss man unterscheiden, ob die Aussage auf die Rohstoffe oder die fertigen Einzelkomponenten (z.B. die verarbeiteten Gewebe) bezieht.
Werden fertige Einzelkomponenten verwendet, so werden auch hier bereits teils namhafte Hersteller „verbaut“, so dass sich die Qualität der Einzelteile im Gesamtprodukt fortführen kann und soll. Zum Beispiel gibt es in Europa nur einen namhaften Reißverschluss-Zipper-Hersteller.
Der Verarbeitung der Materialien kommt eine ganz wesentliche Bedeutung zu.
Abstehende Fadenenden, aufgehende Nähte, kratzende oder drückende Saumabschlüsse,… all das darf bei einer guten Verarbeitung nicht vorkommen. Zum einen sollte hier die Produktion an sich schon entsprechend gut sein, aber auch die Endkontrolle muss feinmaschig sein.
Bei Markenprodukten durchläuft ein neues Produkt auch eine entsprechend lange und gute Versuchsreihe. Meist findet diese im Labor statt. Hier werden die späteren Einsatzbelastungen simuliert. Der Vorteil ist, dass eine lange Belastungszeit und –intensität simuliert werden kann, für die man sonst Jahre bräuchte. Die Versuchsreihen sind natürlich kostspielig und fließen in die Kalkulation für ein solches Produkt mit ein.
Die Erprobung der Einzelkomponenten und auch des fertigen Produkts ist aber nur die eine Seite. Die andere ist der Tragekomfort und die Praxistauglichkeit.
Dieser Aspekt tritt leider immer mehr in den Hintergrund. Die Produkte werden überwiegend steril unter Laborbedingungen getestet. Dabei ist die Summe aus hochwertigen Einzelkomponenten und guter Qualität nicht automatisch immer hoher Tragekomfort oder eine schlüssige Verwendungsmöglichkeit.
Passformen und die genaue Platzierung oder Ausrichtung mancher Features sind manchmal von entscheidender Bedeutung um z.B. eine Tasche zu nutzen.
Häufig werden Berühmtheiten der entsprechenden Sparten mit ihrer Meinung zum Produkt herangezogen. Wie objektiv das ist, wenn der Sponsor einem Spitzensportler sein neuestes Produkt gibt, kann von hiesiger Seite nicht beurteilt werden.
Zudem ist es auch fraglich, ob man den “Normalnutzer” mit einem Spitzensportler vergleichen kann.
In der heutigen Zeit gewinnt das Thema Nachhaltigkeit der Rohstoffe immer mehr an Bedeutung.
Wie wurden diese produziert, woher stammen sie? Diese Fragen sind nicht automatisch deckungsgleich mit der oben gestellten Frage nach der Qualität der Rohstoffe.
Wie wurden die Rohstoffe angebaut? Wurde dafür gerodet? Wie wurden sie abgebaut? Wie sind die Löhne und Beschäftigungsbedingungen vor Ort? Wurden nachwachsende Rohstoffe verwendet oder welche Chemikalien wurden bei vollsynthetischen Stoffen eingesetzt?
Manche Hersteller setzen auch bereits auf den Einsatz komplett recycelter Materialien. Wie ist die Umweltfreundlichkeit der Produktionsstätte? Wie sind die Transportwege? Wurde ein Produkt so produziert, dass auch lediglich Einzelteile bei Verschleiß ausgetauscht werden können oder muss es komplett ersetzt werden?
Auch wie die Materialien nach Gebrauch oder Entsorgung wieder abgebaut oder sogar wiederverwertet werden können, ist von Belang.
Erfreulicherweise haben sich zwischenzeitlich zunehmend viele Marken für Produktionsstätten in Europa entschieden, nachdem der Trend jahrelang Billigproduktionen in Fernost favorisierte. Dies ermöglicht einerseits die Nachvollziehbarkeit der Produktionswege bis hin zur gläsernen Produktion.
Andererseits wirken sich garantierte Mindestlöhne etc. natürlich auch wieder auf den Preis aus. Dass eine Produktionsstätte in Europa liegt sagt aber wiederum nichts darüber aus, woher die Rohstoffe stammen und wie diese hergestellt wurden. Aber es ist ein Mosaiksteinchen und ein Schritt in die richtige Richtung.
Welche Auswirkungen es hat, wenn eine Produktion vollständig oder größtenteils auf Zulieferungen aus der weiten Welt angewiesen ist, müssen viele Betriebe schmerzlich in der aktuellen Corona-Krise erfahren.
„Der Name steht für…“.
Wer es einmal soweit geschafft hat, hat bereits in der Regel jahrelang gute Qualität abgeliefert und wird bemüht sein, diesen guten Ruf nicht wieder zu verspielen.
So kann man sich meist guten Gewissens darauf verlassen, dass die Qualität eines namhaften Produktes gut und entsprechend langlebig ist.
Ob das Produkt aber auch den Erwartungen entspricht, ob es einem ganz individuell „taugt“ oder ob es völlig “overdressed” ist, das steht auf einem ganz anderen Blatt.
Manchmal passt ein typischer Schnitt einer Marke einfach nicht auf den eigenen Körper.
Markenhersteller versprechen ihren Kunden hervorragende Qualität von langer Lebensdauer. Für manche Hersteller heißt dies tatsächlich, dass sie dem Kunden einen besonderen Service bieten oder ausgesprochen kulant sind, wenn auch nach längerer Tragezeit Mängel auftreten.
Ein Anrecht hat man darauf außerhalb der Garantiezeit allerdings nur, wenn es der Herstellerseite entsprechend zu entnehmen ist.
Je nach Produkt spielt eventuell auch der Wiederverkaufswert eine Rolle. Jetzt bleibt es jedem selbst überlassen die Rechnung aufzustellen, ob ein hoher Kaufpreis mit einem hohen Wiederverkaufswert einen Vorteil bietet, gegenüber einem günstigen Einkaufspreis und einem geringen Wiederverkaufswert.
Contra Markenprodukte
Tatsächlich ist selbst dem Outdoor-Uninteressierten inzwischen aufgefallen, dass es bei vielen Discountern inzwischen neben Gartenmöbeln und Werkstattzubehör auch immer wieder Sport- und Outdoorartikel zu kaufen gibt.
Für den Breitensport wie Joggen ist dies schon sehr lange der Fall. Im Bereich Camping, Trekking etc. nimmt es in den vergangenen Jahren immer mehr zu.
Aber geht das? Wanderhosen vom Supermarkt?
Diese Produktionen sind in der Regel Aktionswaren, die in großer aber limitierter Stückzahl produziert wurden. Daher folgen sie durchaus Modetrends oder – mit Verzug natürlich – Neuerungen. Auch was Farben und Schnitte anbetrifft ist dies nicht die Mode von vor 10 Jahren sondern durchaus “hip”.
In Sachen Nachhaltigkeit sowie Qualität der Rohstoffe und deren Verarbeitung kann ein solches Produkt kaum mithalten mit Markenprodukten. Dies ist zu diesen Preisen, zu denen sie verkauft werden absolut nicht möglich! Bei solchen Kalkulationen kann kaum eine längere Versuchs- oder Erprobungsphase, noch nachhaltiger An- oder Abbau von Rohstoffen oder gar Beteiligung an Wiederaufbau von Umweltprojekten erfolgen.
Dies ist bedauerlich und die hohe Nachfrage nach Billigprodukten scheint den Herstellern eher Recht zu geben, als sie dazu zu motivieren, Teile des Gewinns nun doch in ökologische Förderprojekte zu stecken. Dabei stünde es doch einer Walkingjacke vom Discounter XY unheimlich gut, wenn beim Kauf jedes Artikels ein Teilbetrag in ein entsprechendes Projekt fließen würde.
Vor 15-20 Jahren war ein Laufshirt eines Discounters reines Plastik. Den Namen Funktionsshirt verdiente es da noch nicht. Inzwischen ist es zwar immer noch rein synthetisch, aber es gibt auch hier inzwischen durchaus viele Produkte, die ihre Aufgabe sehr wohl erfüllen.
Insofern stehen viele dieser Produkte in der Funktionalität einem Markenartikel in vielen Anforderungsaspekten nicht nach. Es ist eher ein wenig einzelproduktabhängig.
Es gibt einige, die ich bedenkenlos auch beim Discounter kaufen würde (wenn man die Nachhaltigkeit jetzt mal außer Acht lässt), weil sie einen angenehmen Tragekomfort haben, sich der Bewegung anpassen, chic sind und funktionell und lange halten.
Selbst häufiges Waschen kann diesen Produkten nicht viel anhaben. Andere hingegen würde ich nicht haben wollen. Da passt die Form nicht und ihre Funktion ist auch eher fragwürdig. Natürlich steht das nicht drauf. Es sind Erfahrungswerte, die man mit der Zeit sammelt, wenn man hin und wieder solche Produkte erwirbt.
Es gibt wenige Gebiete, in denen die Discountprodukte gar nicht mitkommen. Eines davon ist meines Erachtens die Wasserdichte mit gleichzeitig möglichst hoher Atmungsaktivität.
Meist sind Regenjacken dann noch so dicht, dass sie wenig bis gar nicht atmungsaktiv sind oder sie sind einfach nicht wasserdicht.
Auch wasserdichtes und dennoch atmungsaktives Schuhwerk, das in der Regel dann eine Gore-Tex-Membran erfordert, ist eher selten anzutreffen. Allerdings hatten wir auch schon mal Wanderstiefel vom Discounter, die wesentlich dichter waren als viele Markenschuhe.
Vor allem aber finde ich, dass günstige Produkte sich hervorragend eignen um eine Sportart einmal auszuprobieren.
Jemand, der noch nie wandern war und einmal eine leichte und nicht allzu lange Wanderung mitmachen möchte, der muss sich nicht gleich 200 Euro teure Schuhe kaufen, die eventuell nach dem ersten Wanderausflug für immer im Schrank stehen, weil es doch nichts war.
Wer dann nach einer Saison merkt, dass es zusagt, der kann dann mit den ersten Erfahrungen auch zu Schuhformen, Schafthöhen und Profiltiefen in ein Fachgeschäft gehen und sich einen entsprechenden Schuh zulegen.
Ich zum Beispiel habe mehrere Bergstiefel für unterschiedliche Einsatzgebiete. Vielleicht sagen dem Träger aber auch genau diese Schuhe so zu, dass er sich bei der nächsten Aktion des Discounters gleich noch ein Paar kauft. Dann müsste man wieder zu rechnen beginnen, was unterm Strich günstiger ist.
Auch wenn man eine Zweitausstattung als Ersatz oder Notbekleidung benötigt, ist der Griff zu einem günstigen Artikel durchaus überlegenswert. Denn man trägt häufig sein Lieblingsstück und das andere liegt im Schrank und wird vielleicht nie wirklich getragen.
Wenn ich etwas erwerben möchte, das zum Beispiel einem aktuellen Modetrend folgt, ist es vielleicht schlau sich nichts zu kaufen, was die nächsten 10 Jahre hält aber nicht mehr getragen wird, weil es nicht mehr jahrelang aufgetragen werden möchte, wenn es doch gar nicht mehr “in” ist, aber doch viel zu schade und auch zu teuer um es im Schrank liegen zu lassen.
Gerade auch bei Kindern und Heranwachsenden, die zum Beispiel für einen Urlaub eine bestimmte Ausrüstung brauchen und im restlichen Jahr nicht, ist der Erwerb eines günstigeren Artikels eine gute Überlegung. Denn häufig kommt hier mangels Interesse oder weil die Personen zu schnell wieder heraus wachsen, der Aspekt der Haltbarkeit nicht zum Tragen.
Davon abgesehen halten viele Artikel ausgesprochen lange. Denn gerade die vielleicht nicht ganz so ausgefeilten Gewebe sind häufig zwar weniger technisch ausgereift, dafür aber etwas robuster.
Viele Menschen erliegen der sogenannten Markenblindheit. Weil etwas von der Marke XY ist und wirklich teuer muss dann auch gut sein. Unabhängig von der tatsächlichen Qualität geht es ja aber vielmehr auch darum, dass einem die Schnitte passen, das Design gefällt und es zum eigenen Einsatzgebiet passt.
Fazit
Das Einsatzgebiet und die –dauer, auch die Intensität der Nutzung sind wohl die wichtigsten Faktoren neben ökologischen Gesichtspunkten.
Unterm Strich gibt es wohl keine einzig wahre Antwort.
Man KANN bei den günstigen Anbietern für wenig Geld langlebige und zufriedenstellende Qualität bekommen. Aber natürlich auch einiges an Billigware.
Man kann aber auch bei einem teuren Markenprodukt so richtig daneben liegen und sich dann ewig ärgern so viel Geld ausgegeben zu haben oder es niemals so nutzen zu können, wie es aushalten würde.
Wenn man seine Ansprüche, Problemzonen und Einsatzhäufigkeit und –dauer realistisch begutachtet und dann die Angebote, kann jeder das Passende für sich finden.
1 Kommentar
Fazit: Hätte ich es nicht gelesen, wäre ich genau so schlau.