Der Watzmann ruft. Seitdem ich den Watzmann das erste Mal gesehen hatte, kann auch ich seinem Ruf nicht mehr widerstehen. Das Watzmann Massiv übt auf mich bereits seit vielen Jahren eine Faszination aus, der ich mich nicht entziehen kann und auch nicht mehr entziehen möchte.
Daher habe ich es mir zur Angewohnheit gemacht, einmal jährlich den Watzmann zu besteigen und wenn es die Wetterlage zulässt, auch die Überschreitung zu gehen. Die Watzmann-Tour gehört zu einem der Klassiker in den Ostalpen und ist dadurch und aufgrund der Mythen, die sich um ihn ranken, weit über die Grenzen Bayerns hinaus, bekannt. Dies ist sicher auch ein Grund dafür, dass er bei gutem Wetter in den Sommermonaten immer sehr stark besucht ist. Von Bergsteigern und denen, die es gerne wären.
Die Überschreitung vom König Watzmann kann ich jedem, der die körperlichen und technischen Voraussetzungen dafür mitbringt, nur empfehlen. Allerdings sollte man diese Tour auf keinen Fall unterschätzen, da sie zweifelsohne zu einer der konditionell fordernsten Bergtouren in den Ostalpen gehört.
Anfahrt
Start der Tour war bereits um 04:00 Uhr morgens am Parkplatz Wimbachbrücke in Ramsau bei Berchtesgaden. Dieser Parkplatz ist der ideale Ausgangspunkt für den Watzmann. Der große Parkplatz bietet ausreichend Platz und liegt sehr zentral. Dies hat mit 9€ pro Tag allerdings auch seinen Preis. Wir starteten auch bei dieser Watzmanntour wieder möglichst früh, um genügend Zeit für die Tour zu haben. Außerdem wollten wir uns um die Mittagszeit bereits wieder im Abstieg befinden, um der stärksten Hitze oben am Grat zu entgehen.
Start der Tour
Die Tour startet zuerst auf einem breiten Schotterweg, der bereits nach den ersten Metern sehr steil nach oben führt. Aufgrund der frühen Uhrzeit kommen, für die erste Zeit noch, unsere Stirnlampen zum Einsatz. Die Steigung des Weges lässt den Puls und die Atmung direkt zu Beginn der Tour sehr schnell ansteigen. Um eine so lange und fordernde Tour bis zum Ende durchzuhalten, empfiehlt es sich die ersten 15 Minuten in einem moderaten Tempo zu gehen. Dadurch kann man sich warm laufen und der Puls wird nicht direkt stark in die Höhe getrieben. Die dadurch eingesparte Kraft, wird man am Ende der langen Tour noch benötigen.
Aufstieg zum Hocheck
Nachdem wir uns an die Steigung gewöhnt haben, wird der Weg nach ca. 45 Minuten des Gehens langsam schmaler und felsiger. Wir folgen somit dem Steig, bis wir die denkmalgeschützte Falzalm passieren. Eine sehr schöne kleine Holzhütte, hinter der die imposante Watzmannfrau in die Höhe ragt. Die Hütte passieren wir, indem wir dem Weg, welcher rechts hinter der Alm verläuft, folgen. Nun können wir in der Ferne schon das Watzmannhaus sehen, welches wir nach genau 2 Stunden dann auf 1930hm erreichen. Da wir uns noch gut im Zeitplan befinden, kehren wir hier noch auf ein Stück Kuchen und einen Kaffee ein, ehe wir uns dann dem letzten großen Anstieg auf das Watzmann-Hocheck, mit seinen 2651hm stellen. Bis zum ersten der drei Gipfel müssen noch über 700hm überwunden werden. Der Steig auf das Watzmann-Hocheck gestaltet sich bereits deutlich anspruchsvoller, als der bisherige Weg und gibt einen Vorgeschmack auf die eigentlich Überschreitung. Der anspruchsvolle Steig ist nur teilweise seilversichert und führt über große Felsen, die einem eine hohe Aufmerksamkeit auf den Untergrund sowie auf die Wegmarkierungen abverlangen.
Nur vereinzelt sind besonders steile Passagen auch mit einem Drahtseil versichert, welches der ungeübte Bergsteiger als Aufstiegshilfe verwenden kann. Nachdem wir nach etwas über einer Stunde den letzten großen Anstieg überwunden haben und nun auf dem Hocheck stehen, bereiten wir uns auf die eigentlich Überschreitung vor. Etwas essen, um wieder über genügend Energie zu verfügen und etwas Wasser geben wieder Kraft, für das was da noch kommen soll. Nun noch den Helm als Schutz vor möglichen Steinschlägen aufsetzen, ehe der nun schönste Teil der gesamten Tour beginnt.
Ausrüstung
Bei der Watzmann-Überschreitung handelt es sich nicht um einen Klettersteig. Zwar beinhaltet der Grat zwischen Hocheck und der Südspitze vereinzelte Stahlseile, allerdings dienen diese nur zur Entschärfung von besonders anspruchsvollen Passagen. Es gibt aber auch viele Stellen, die man frei und nur mit der Wahl der richtigen Griffe am Fels klettern muss. Daher rate ich jedem, der sich ohne ein Klettersteigset unsicher fühlt, auch von dieser Tour ab. Fühlst du dich aber in alpinen und ausgesetztem Gelände wohl und kannst dich hier ohne Probleme sicher fortbewegen, wirst du auf dem Watzmann viel Spaß haben. Was aber wirklich jeder dabei haben sollte, ist ein Kletterhelm als Schutz vor Steinschlägen im Abstieg. Außerdem Bergschuhe oder Zustiegsschuhe mit einer griffigen Sohle. Da es auf der Tour erst gegen Ende die Möglichkeit gibt Wasser aufzufüllen, sollte man ausreichend Wasser dabei haben.
Die Überschreitung
Der Einstieg in den Grat ist direkt mit mehreren Stahlseilen versichert und führt die ersten Meter in einem stetigen auf und ab über den Grat. Doch schon bald enden die seilversicherten Stellen und nun ist es wichtig, trittsicher weiterzusteigen. Jeder Tritt und jeder Griff müssen sitzen. Dies bringt somit aber auch viel Spaß mit sich. Immer wieder lassen wir den Blick schweifen und genießen den rauen Fels und die Aussicht auf die umliegenden Berge, wie den Hochkalter, den kleinen und weniger frequentierten Bruder des Watzmanns. Wir kommen zügig voran und bereits nach 30 Minuten erreichen wir das Kreuz der Mittelspitze. Hier besteht die Chance, in einem der wenigen schattigen Stellen, eine kurze Rast einzulegen. Nachdem wir die Mittelspitze verlassen haben, steigen wir zuerst einige Meter bergauf, um schließlich an eine Rinne zu gelangen. Diese sehr enge Rinne klettern wir vorsichtig herab und gelangen auf ein kurzes Stück Gehgelände. Dieses mündet schon bald wieder in eine weitere von Seilen versicherte Stelle, welche uns wieder einige Meter in die Höhe führt. Von hier aus hat man einen fantastischen Blick auf die beeindruckende Ostwand des Watzmanns.
Diese beeindruckende 1800 Meter hohe Wand ist die höchste Wand in den Ostalpen. Im Spätsommer 2023 bin ich diese bereits durchgestiegen, was bis heute zu den schönsten Touren zählt, welche ich jemals geklettert bin.
Nun folgt nochmal eine seilversicherte Stelle direkt oben am Grat entlang, bei der man sich lieber keinen Fehltritt erlauben sollte, ehe man wieder in etwas breiteres Gehgelände gelangt. Nun queren wir nochmal über den luftigen Grat die Seite und können im Anschluss auch schon den letzten der drei Gipfel sehen. Diesen erreichen wir über eine leichte Kletterstelle im
I. Grad und stehen endlich vor dem letzten Kreuz. Bei all der Freude halten wir uns mit unseren Emotionen dennoch erstmal zurück. Die Überschreitung ist schließlich noch nicht beendet, bevor wir nicht wieder sicher im Tal ankommen.
Der Abstieg
Nun begann der (für mich jedenfalls) unangenehmste Teil der kompletten Tour: der sehr lange, steile und fordernde Abstieg, hinunter in das Wimbachgries. Ungefähr die Hälfte des Abstiegs verläuft über hohe felsige Stufen, die ebenfalls nochmal eine hohe Konzentration und Trittsicherheit von uns verlangen. Da es immer wieder vorkommt, das andere Bergsteiger Steine lostreten, sollte der Helm den kompletten Abstieg über auf dem Kopf verbleiben. Nach einer Stunde des Abstiegs gelangen wir an die einzige Wasserquelle der gesamten Tour. Hier, an einem kleinen Bach, können wir unsere Flaschen wieder mit kaltem klarem Wasser auffüllen und die Gliedmaßen kurz abkühlen. Selten hat mir einfaches Wasser so gut geschmeckt, wie zu diesem Zeitpunkt. Im Anschluss daran begeben wir uns zum zweiten Teil des Abstiegs. Dieser ist nun weniger von stufigen Felsen geprägt, sondern verläuft über viel losen Schotter. Ganz nach dem Motto “Geschwindigkeit bringt Sicherheit” machen wir mit einem erhöhtem Tempo schnell viele Tiefenmeter und erreichen nach einer weiteren Stunde endlich das Tal und damit das Wimbachgries. Hierbei handelt es sich um ein 10 Kilometer langes Tal, welches zwischen dem Watzmann und dem Hochkalter liegt. Von hier aus folgen nun noch 8 lange Kilometer strammer Fußmarsch zurück zum Parkplatz. Glücklicherweise liegt auf dem Weg noch die Wimbachgrieshütte. Eine von den Naturfreunden bewirtete Hütte, in der es einen legendären Kuchen gibt. Hier empfehle ich jedem noch eine kleine Rast einzulegen und den restlichen Weg frisch gestärkt anzugehen.
Endlich nach knapp 24 zurückgelegten Kilometern, sowie über 2000 Höhenmetern, erreichen wir am Nachmittag erschöpft aber glücklich den Ausgangspunkt unserer aufregenden Tour. Um direkt etwas für unsere müden Beine zu tun, begeben wir uns umgehend zur Ramsauer Ache. Ein kleiner Fluss, welcher direkt neben dem Parkplatz verläuft. Das Wasser ist eiskalt und nach der langen Bergtour spüren wir direkt, wie gut die Kälte unseren müden Füßen und Beinen tut.
Tourdaten
Länge: 24 Kilometer
Höhenmeter: 2100hm
Dauer: zwischen 10Stunden und 14 Stunden. Abhängig von Kondition und Wetterverhältnissen.
Einkehrmöglichkeiten
Watzmannhaus
Wimbachgrieshütte
Wimbachschloss