Wenn wir dann „Nichts tun“ sind wir trotzdem umgeben von unzähligen Eindrücken, die unser Gehirn verarbeiten muss. Sei es der Fernseher, Musik oder die laute Straße im Hintergrund. Outdoor-Liebhaber kennen die erholsame Wirkung der Natur, wenn man beispielsweise wandert, sich auf die Atmung und die Natur um sich herum konzentriert.
Diesen Ansatz greift das Waldbaden auf.
Entwickelt wurde diese Meditation im Grünen von der japanischen Regierung in den 1980er Jahren, um die Bevölkerung wieder mehr für die Natur zu sensibilisieren. Ein Problem, das auch aktuell in Europa sehr relevant ist.
Ich habe diese Art der Stressbewältigung im Südtiroler Ahrntal bei Prettau getestet – und zwar im größten Nationalparkgebiet Mitteleuropas.
Was ist Waldbaden?
Waldbaden – das klingt im ersten Moment nach Bikini und Badespaß im Bach oder Waldsee. Aber auch ohne den Sprung ins kühle Nass, hat dieses “Badeerlebnis” eine sehr erholsame Wirkung.
Schon nach vier Sitzungen a 45 bis 90 Minuten soll Waldbaden nach Angaben der Vitalpina Hotels Stress reduzieren, die Entspannung fördern, in diesem Zuge sogar den Herzschlag und Blutdruck senken, chronischen Entzündungen entgegenwirken, die Stimmung verbessern und Schmerzen lindern.
Ursächlich ist demnach das spezielle Mikroklima im Wald, die charakteristischen Lichtverhältnisse, die geringe Lärmverschmutzung und die hohe Luftqualität im Wald.
Das Ziel von Waldbaden? Die Umgebungen mit allen Sinnen aufmerksam und bewusst wahrnehmen – und so dem Alltagsstress entkommen und abschalten.
Weil Entschleunigung hier der Bewegung vorgezogen wird, ist warme Kleidung sinnvoll.
Auf der Internetseite “waldbaden.com” gibt es zudem verschiedene Übungen zum Waldbaden.
Entspannung in Südtirols vielseitigen Wäldern
Zum Waldbaden gefunden habe er in Schweden in einem kleinen Park mitten in der Stadt, erzählt Stefan Fauster. Der sportliche Mann mittleren Alters leitet den Drumlerhof, ein Vier-Sterne-Hotel mit Restaurant in Sand in Taufers.
“Ich fand das sehr paradox, wo ich daheim in Südtirol doch eine wunderschöne Natur vor der Haustür habe.” Inzwischen leitet er daher Interessierte ins Waldbaden in Südtirol ein. Das Event ergänzt das Hotel-Angebot, das sich auf gelebte Nachhaltigkeit, Gemeinwohlökonomie und bewussten Verzicht konzentriert.
Wir gehen gemeinsam etwa zehn Minuten von der Bushaltestelle in den Wald. Der Weg führt an Kuhweiden und einem kleinen Holzhaus vorbei, es ist das weltweit erste energieautarke Wasserstoffwohnhaus . Schließlich erreichen wir den Gesundheitsweg Prettau.
Auf dem Weg in den Wald erklärt Stefan, worum es beim Waldbaden geht. Kurz: Den Kopf ausschalten, sich nur auf den Moment und das eigene Leibgefühl konzentrieren.
Ich bin bisher immer relativ ungeduldig bei geführten Meditationen gewesen, weshalb ich etwas skeptisch bin, was mich in den nächsten zwei Stunden erwarten wird. “Wir sollten alle mindestens zehn Minuten täglich meditieren, um bei uns selbst anzukommen”, erklärt Stefan gerade. Ich fühle mich etwas ertappt. Er fährt fort: “Wer keine Zeit für diese zehn Minuten hat, muss zwei Stunden meditieren.”
Gut, vielleicht starte ich mit zehn Minuten.
Wo unsere Gedanken sind, sei auch unsere Energie. Daher sei dieses Training, im Hier und Jetzt zu sein, so wichtig. Denn im Alltag verschwendeten wir viel zu oft Energie, indem wir über die nächsten To-Dos, Vergangenes oder Deadlines nachdächten.
Und dann wird es still. Unsere erste Aufgabe ist, den Smalltalk einzustellen. Ohne Worte nebeneinander herzugehen, fühlt sich für mich sehr ungewohnt an. Nach einigen Minuten legt sich langsam mein Bedürfnis, etwas zu sagen. Ich beginne, die Stille zu genießen.
Um zu unserem Leibgefühl zu finden, erforschen wir den Wald mit allen Sinnen. Auch das ist zunächst ein eigenartiges Gefühl. Ich fühle mich an Kindertage erinnert. Aber wie beim Schweigen, gewöhne ich mich auch hieran schnell.
Ich gehe also weiter in den Wald, steuere Bäume an, zu denen es mich spontan hinzieht – und denke nicht darüber nach, was ich tue. Ich nehme den Duft der Bäume um mich herum auf, rieche an gelagertem Holz und finde mich vor dem Rötbach Wasserfall wieder.
Immer wieder gibt uns Stefan Anreize und kleine Aufgaben, die uns helfen, ins “Baden” zu kommen.
So ziehen wir die Schuhe aus und spüren die Wurzeln, kleine Äste und Gras unter unseren Füßen. Das erste Mal seit Langem, nehme ich die Natur um mich herum ganz bewusst war, denke an nichts anderes.
Die Stille, die mich zu Beginn verunsichert hat, beruhigt mich nun. Auf einmal fallen mir die Geräusche des Waldes viel stärker auf.
Ich merke, wie ich mich entspanne und “hinter” die Stille in meinem Kopf gelange. Gedanken, die ich verdrängt hatte, kommen auf. Wie gesagt: ich bin für Meditationen oft zu ungeduldig und bei Vielem etwas skeptisch.
Die Mischung aus Fokus auf die Natur, Bewegung und Stille hat mir dennoch geholfen, mich zu entspannen und das Hier und Jetzt zu akzeptieren, statt die Vergangenheit ändern zu wollen. “Meine Mutter ging früher jeden Tag zwei Stunden in den Wald und kam immer glücklich zurück. Früher habe ich nicht verstanden, wieso. Jetzt schon”, berichtet Stefan nach der Meditation – und ich habe das Gefühl, dass ich das verstehe.
Ganzheitliches Nachhaltigkeitsverständnis im Ahrntal
Naturverbundenheit hat in dem Südtiroler Tal Tradition. So machen Wälder in Südtirol etwa 50 Prozent der Fläche aus, das Ahrntal ist zudem geprägt durch weitläufige Weiden, Almen und ein beeindruckendes Bergpanorama. Diese Tradition wird auf verschiedene Arten im heutigen Tourismusangebot der Region Ahrntal und Sand in Taufers widergespiegelt. Hier legt man großen Wert auf ein ganzheitliches Verständnis von Nachhaltigkeit.
Gottfried Strauß, Vorsitzender des Verbands, erklärt: “Uns ist ein nachhaltiger Umgang mit unserer Umwelt wichtig.”
Daher gebe es Projekte, wie den Holidaypass, mit dem Touristen kostenlos den öffentlichen Nahverkehr nutzen könnten, um so die Autos von den Straßen zu bringen. Außerdem biete die Region vielseitige Wanderziele, über 60 Almen und investiere in neue Verpflegungs-Hütten an den Wanderwegen. “Außerdem sind wir dank Fernwärme übers Jahr gesehen klimaneutral”, schließt der Vorsitzende.
Im Bericht über die Pressereise lest ihr mehr über innovative und nachhaltige Ansätze im Ahrntal.
Fazit
Waldbaden ist ein Trend, der dabei hilft, in der Natur und so bei uns selbst anzukommen.
Die Zeit in der Natur hat verschiedenste (gesundheitliche) Vorzüge in petto.
Natürlich ist das Ganze aber nicht für Jeden das Richtige, um zu entspannen. Oder um es mit den Worten unseres Waldführers Stefan zu sagen: “Waldbaden ist der Hammer, aber nicht jeder ist ein Nagel.”