Kennst Du das Gefühl… einfach mal raus, loslassen, abschalten und zu sich kommen. Im April 2023 konnte ich mir diese kleine Auszeit erfüllen und habe mich auf den Weg gemacht: Moselcamino – von Koblenz nach Trier – 170km / 4.540hm.
Inhalt
Vorbereitung
Anreise
Tag 1 | Stolzenfels – Löf | 20,4km / 520hm
Tag 2 | Löf – Kloster Engelport | 25km / 680hm
Tag 3 | Kloster Engelport – Bullay | 21,6km / 570hm
Tag 4 | Bullay – Traben-Trabach | 24km / 730hm
Tag 5 | Traben-Trarbach – Osann-Monzel | 17,5km / 510hm
Tag 6 | Osann-Monzel – Klüsserath | 18,3km / 470hm
Tag 7 | Klüsserath – Schweich | 15,8 km / 430hm
Tag 8 | Schweich – Trier | 23,5km / 460hm
Abreise
Vorbereitung
Noch bin ich mir nicht im klaren darüber worin der Unterschied zwischen wandern und pilgern besteht, aber irgendetwas treibt mich seit ein paar Jahren um und lässt mich nun zum dritten Mal auf einen Pilgerweg gehen. Dieses Mal ist es der Mosel-Camino. Meine Reisezeit: Ende April 2023.
Vorbereitend lese ich hierfür gerne in den Wanderbüchern von “Outdoor”/Conrad-Stein-Verlag und den ein und anderen Bericht im Internet. Die Bücher geben einen guten Einblick in das Strecken- und Höhenprofil und für unterwegs ein paar Informationen zu Dörfern/Städten und Sehenswürdigkeiten. Spannend an diesem Camino ist für mich hier erstmals alleine unterwegs zu sein und die Höhenmeter, welche in Summe vor mir liegen, denn ich bin keine “Gebirgsziege” und lange Anstiege sind eine Herausforderung für mich. Aber ja – genau das möchte ich jetzt haben. Herausforderungen!
Den Mosel-Camino habe ich mir auf 8 Etappen eingerichtet und halte mich grösstenteils an die Vorschlagswerte aus dem Pilgerführer. Ich buche für diese paar Tage bereits von zu Hause aus alles vor. Einfache Unterkünfte, denn ich brauche nur ein Bett und vielleicht eine Dusche. Bei zwei Übernachtungsanfragen bekomme ich leider kein Zimmer mehr, also plane ich die Tour entsprechend um, was sich auf Grund der teils touristischen Moselregion gut machen lässt und sich nachträglich auch als “so hat es wohl sein müssen” herausstellt. Für die An- und Abreise gönne ich mir noch jeweils einen Tag zum Ankommen und Ausklingen lassen, so dass ich am Ende 10 Tage unterwegs bin.
Auf die Frage: “Wie bereitest Du Dich denn “fitness-technisch” vor? Antworte ich gerne: “Das mache ich unterwegs – habe dann ja genügend Zeit dafür.” 😉
Unterwegs auf dem Mosel-Camino…Die Anreise
Diese beginnt gleich mit einem Bahnstreik am Vormittag, was mich lehrt geduldig zu sein und flexibel darauf zu reagieren was kommt. So schlecht ist der Einstieg in diese Reise also nicht. Das Ziel an diesem Tag ist einfach nur in Koblenz anzukommen, übernachten um am nächsten Morgen entspannt in den Camino einzusteigen.
Meine Unterkunft heute ist ein Gästehaus der “Barmherzigen Brüder Maria Hilft” in Koblenz. Ein Ordensbruder nimmt mich in Empfang. Seine ruhige und gelassene Ausstrahlung lassen mich nach und nach die stundenlange Anreise vergessen. Ich bin angekommen und darf einfach nur hier sein.
Tag 1 | Stolzenfels – Löf | 20,4km / 520hm
Am Morgen mache ich mich auf den Weg zum Busbahnhof in Koblenz, um von dort ein paar Kilometer mit dem Bus nach Koblenz-Stolzenfels zu fahren. Dort ist der Einstieg in den Mosel-Camino. Kurz nach 09.00 Uhr ist es also soweit – ich bin auf dem Weg! Ein seltsames Gefühl und ich bin sehr gespannt was mich erwartet.
Zuerst einmal und gleich zum Start einen Anstieg von knapp 300hm. Ja klar, Burgen liegen ja meist auf Anhöhen. Also Stöcke raus und ein Schritt vor den anderen. Es geht ganz gut und schon bald komme ich am Schloss Stolzenfels an. Schön, wie die hellen Mauern sich im Sonnenlicht gegen das Frühlingsgrün der Pflanzen stellen. Ich gönne mir nur eine kurze Pause, denn ich möchte weiter. Der Weg geht entspannt durch den Koblenzer Stadtwald. Nach ein paar Kilometern, an einer Wegkreuzung, mache ich doch eine kurze Pause an den verbliebenen Grundmauern eines Merkurtempels aus römischen Zeiten.
Die Hunsrückhöhenstrasse wird gequert und nach ca. 11km treffe ich unvermittelt auf die Schnelligkeit der Autobahn A61. Diese wird ein stückweit parallel gelaufen. Ganz froh nach einer Weile wieder in den Wald abzutauchen, liegen jetzt noch einige Kilometer Wald und Wiese vor mir. Es geht fast nur noch bergab. Irgendwann tut sich der Blick auf ins Moseltal und ich kann die Burg Thurant sehen. Nach knapp 17km erreiche ich die Wallfahrtskirche Bleidenberg. Diese steht solitär auf einer Anhöhe und wirkt durch das dunkle Gemäuer schon fast etwas unheimlich. Als ich in das Innere der gotischen Kirche komme wird es “heimelig”, denn es gibt kaum künstliche Lichtquellen, die Wände sind roh behauen und das Holz des offen liegenden Dachstuhls knarrt unter der Windlast. Hier hole ich mir meinen ersten Pilgerstempel des Tages.
Noch einen letzten schönen Ausblick auf Burg Thurant und es geht bergab in die erste Stadt seit ich losgelaufen bin heute morgen – Alken. Der Abstieg ist steil und geht durch anfangs brach liegende Weinlagen, weiter unten dann durch bewirtschaftetes Gebiet. Etwas Vorsicht ist geboten auf dem losen Schiefer, aber mit Konzentration und Stütze der Trekkingstöcke geht es sehr gut. Da ich in Alken keine Unterkunft bekommen habe, geht es noch 3km bis nach Löf und die ziehen sich irgendwie. Aber dann erreiche ich das Gästehaus. Der Hausherr ist nicht da, hat mir aber den Schlüssel bereit gelegt und so genieße erst einmal Ruhe, Schuhe auszuziehen und Füsse hochlegen.
Tag 2 | Löf – Kloster Engelport | 25km / 680hm
Der Tag heute ist meine Herausforderung bzgl. Strecke und Höhenmetern. Durch das Unterkunftsthema und umrouten sind es gleich am zweiten Tag etwas mehr Kilometer als ursprünglich geplant, aber gut… auch dieser Weg beginnt mit dem ersten Schritt. So ziehe ich kurz nach 08.00 Uhr los und bin gespannt was mich erwartet. Die ersten Kilometer gehen entlang einer Eisenbahnlinie und noch ganz entspannt. Dann erwarten mich nach Hatzenport die ersten 200hm. Ganz in Gedanken, werde ich plötzlich angesprochen. Ich kann mich nicht mehr genau an die ersten Worte erinnern, aber es war ein “Hallo, doch noch ein Pilger unterwegs?!” Ein “Mitpilgerer” – wir gehen ein paar Schritte gemeinsam. Tatsächlich sind zu dieser Jahreszeit noch kaum Pilger unterwegs.
Auf dem Lassberg angekommen genieße ich erst einmal den Blick ins Moseltal. Hier gibt es besondere thermische Verhältnisse für Drachen- und Gleitschirmflieger. Es ist einfach schön “oben” zu sein und das Treiben dort “unten” auf sich wirken zu lassen. Nach einer kurzen Pause geht es in´s Hinterland mit dem nächsten Ziel – Burg Eltz.
Als ich aus einem Waldstück absteige, treffe ich unvermittelt auf den Autoparkplatz der Burg Eltz und Menschenmengen. Zumindest wirkt es so auf mich, nach Stunden alleine unterwegs und ich komme mir etwas fremd vor. Als die Burg Eltz vor mir liegt, kann ich verstehen, dass sie als eine der schönsten Ritterburgen Deutschlands bekannt ist und sie es auch seinerzeit auf den 500-DM-Schein geschafft hat. Ein kleines Schmuckstück hier hinten im Tal. Die Zeit für einen Besuch im Innern der Burg nehme ich mir aber nicht, denn ich möchte heute lieber die Natur genießen und weiterziehen. Gleich hinter der Burg geht es wieder in den Wald. Als sich dieser nochmals lichtet, gibt er einen letzten Blick auf die Burg frei.
Die Wege sind am Mosel-Camino sehr gut ausgeschildert, so dass es kaum zu Irritationen kommt. Gleich nach der Burg Eltz erwartet mich ein weiterer Anstieg von 200hm und auf der Anhöhe am Kompeskopf ein Ausblick wohin mich der Weg heute noch führt. Da wird mir erstmals bewusst, was noch vor mir liegt – 10km in ein Mosel-Seiten-Tal, ein Anstieg von 220hm und das Kloster irgendwo da hinten im Wald. Aber gut, es hilft nichts – weiter geht´s.
Der Abstieg nach Karden ist dann doch etwas grenzwertig. Da es die Tage vorher immer wieder geregnet hat ist der Waldboden aufgeweicht, was nicht weiter schlimm ist, wenn er nicht matschig, sehr schmal und mit leichter Hangabwärtsneigung wäre. So bin ich wieder einmal froh um meine Stöcke und mahne mich zur Ruhe und Konzentration, denn das wäre jetzt der Abschuss, wenn ich hier umknicke, abrutsche,… In Karden angekommen heisst es durch das Städtchen laufen, an Strassen entlang nach und durch Treis-Karden und irgendwann wird es mental etwas anstrengend zu sehen, wie schnell man sein könnte, wenn man jetzt im Auto säße. Stattdessen stiefelt man hier zu Fuss durch die Gegend.
Ist dies aber geschafft geht es wieder entspannt in den Wald, leider mit den Geräuschen einer nahe gelegenen Landstrasse. Dann der letzte Anstieg für heute mit 220hm und noch 7km bis zum Etappenziel. Jetzt wird´s anstrengend und erstmals die Frage – weshalb mache ich das eigentlich? So langsam werden die Beine müde und ich habe zeitweise das Gefühl, dass ich mehr schlurfe als gehe, aber die Stöcke helfen das Tempo zu halten. Ich sehe nur noch Wald und lange Schotterwege. Wann kommt denn endlich das Kloster in Sicht?
Erst kurz vor Erreichen des Ziels, als sich der Wald öffnet – da steht es, das Kloster. Dunkel und irgendwie einsam. Leider verändert sich der Eindruck auch nicht, als ich mich für die Nacht anmelde. Man hat das Gefühl, dass man als Gast nur geduldet ist. Da habe ich in anderen Klöstern schon freundlichere, schönere Erfahrungen gemacht. Nun – auch ein Erlebnis hier zu sein und morgen geht´s ja schon wieder weiter.
Tag 3 | Kloster Engelport – Bullay | 21,6km / 570hm
So, heute wird mal gefrühstückt, denn hier im Wald gibt es ja weit und breit keinen Bäcker. Beim Frühstück beschliessen ein Mitpilger und ich, dass wir diese Tagesetappe gemeinsam laufen. Der Tag beginnt dann auch gleich mit kurzen Regenschauern, aber gut ausgerüstet mit Cape und Manschetten an den Beinen geht es ganz gut. Nach knapp 2 Stunden erreichen wir das schöne Ortschäftchen Beilstein. Da es doch nasskalt geworden ist, beschliessen wir uns in einem Café aufzuwärmen. Da stehen jetzt zwei Pilger, nasstropfend, dreckige Stiefel vor einem schicken Café. Deshalb fragen wir vorsichtig an, ob wir so reinkommen dürfen. “Aber ja doch – herzlich willkommen!” Und einen Pilgerstempel gibt es obendrein.
Nach dieser kurzen Trockenpause geht es weiter. Dieser Weg heute überwandert ab Beilstein bis nach Bullay zwei Moselschleifen. D.h. geradeaus von einem Ort zum andern durch´s “Hinterland”. Ein Anstieg nach Beilstein von 300hm wird etwas zäh, da ein paar Kilometer auf einer Strasse gegangen werden müssen. Das finde ich immer besonders anstrengend, da erstens Asphalt, zweitens Autos die einem vor Augen führen, wie langsam man vorwärts kommt als Fussgänger. Aber gut, dafür sehe und ich erlebe Dinge, die würde man am vorbeifahren nicht wahrnehmen – Weinbergschnecken über die Strasse helfen, dem Regen auf dem Waldblätterdach lauschen, Käfer aus der Rückenlage befreien, … 😊 Und so geht auf das heutige Etappenziel zu: Bullay.
Tag 4 | Bullay – Traben-Trabach | 24km / 730hm
Am Morgen komme ich fast nicht weg, da meine Gastwirtin mir eine alternative Route nach der anderen vorschlägt, welche ich gehen könnte wenn es regnet, wenn es mir zu anstrengend wird und überhaupt. Nachdem ich mich lösen konnte geht es in Bullay über eine interessante Doppelstockbrücke (oben Zug, unten Auto und Fussgänger) auf die andere Moselseite. Dort geht es gleich mal hoch zur Marienburg, eine ehemaliges Kloster und heute eine Jugendbildungsstätte sowie Übernachtungsmöglichkeit (weshalb hab ich das eigentlich nicht genommen?). Von hier genieße ich nochmals einen Blick hinab zur Mosel.
Es geht nun ca. 8km stetig leicht bergab nach Zell, allerdings setzt Regen ein und es wird etwas ungemütlich. Jedoch – es hilft nichts, der Weg ist vorgegeben, das heutige Ziel auch – also mach das Beste daraus und gehe Schritt um Schritt. Genieße diese Zeit, um auch den Gedanken freien Lauf zu geben – noch ist es entspannt zu laufen. Jedoch ist heute laut dem Pilgerführer eine der anstrengendsten Etappen, da es nach ca. 7km steil über 300hm ansteigen soll. Die heutige Etappe geht über den sogenannten Bummkopf (421m). Der Pilgerführer hat eine Alternativroute gezeichnet, aber ich habe zu Beginn beschlossen, dass ich jede Herausforderung auf diesem Weg annehmen werde. Also – Schultern straffen, Krönchen richten und weiter. Und tatsächlich, als es dann soweit ist, 2km hinter Zell, wird es dann recht steil und anstrengend. Zwischendurch aber immer wieder schöne Aussichten ins Moseltal und tatsächlich irgendwann stehe ich oben, ausser Puste, habe den Anstieg hinter mir und denke: “Was das war´s schon?” Jetzt überrasche ich mich gerade selbst. 😊
Es geht dann aber sehr bald schon wieder über den Verlauf von 5km bergab nach Enkirch und die Schlammschlacht beginnt. Schwere Waldfahrzeuge haben den Boden aufgerissen und in den Spurrinnen steht das Wasser. Alles drumherum ist eine einzige Matschlandschaft. Zu Beginn versuche ich noch auszuweichen, aber irgendwann – einmal knöcheltief drin gestanden ist es jetzt auch egal. In Enkirch angekommen erlebe ich einen Ort so tot wie ich selten einen erlebt habe. Wohnt hier überhaupt noch jemand? Schon ein seltsames Gefühl.
Noch einmal 300hm bergauf nach Starkenburg und auch dieser Ort ist wie ausgestorben. Aber nun sind es nur noch 4km bis zu meinem heutigen Etappenziel Traben-Trarbach. Es geht unvermittelt steil bergab, über den Franzosensteig, schon fast ein Klettersteig zum Wahrzeichen von Traben-Trarbach – die Burgruine Grevenburg. Das letzte Stück, die letzten Höhenmeter zur Ruine werden durch einen Schacht im Fels begangen. Es ist fast wie ein grosser Brunnenschacht in welchem sich eine Wendeltreppe befindet. Sehr spannend – habe ich bisher auch noch nicht erlebt. Von der Burgruine hat man einen wunderschönen Blick auf das Städtchen und die Moselschleife. Ich kann schon meine heutige Unterkunft ausmachen – die Alte Lateinschule, eine “echte” Pilgerunterkunft hier auf der Strecke. Mit der Vorfreude gleich am Ziel zu sein geht das letzte Stücke leicht zu laufen. In Traben-Trarbach angekommen bin ich durch eine Strassenführung etwas verwirrt und schaue mich suchend um. Ein Passant sieht mich, lächelt und deutet mit der Hand ein eine Richtung. Aha, Pilger erkannt – die kann nur in die Alte Lateinschule wollen. Es braucht oft nicht viele Worte.
Zur Alten Lateinschule dann doch nochmals ein kurzer Anstieg, zwar nicht zu vergleichen mit dem was ich heute schon hinter mir habe, aber auf die letzten Meter dann doch noch etwas “gemein”. Ein herzliches Willkommen durch die Herbergsmutter und ich darf mit ihr, ihrer Freundin und einem Mitpilger noch eine schöne Zeit bei Mosel-Riesling und guten Gesprächen erleben.
Tag 5 | Traben-Trarbach – Osann-Monzel | 17,5km / 510hm
Es ist ein so schönes familiäres Zusammensein hier in dieser Pilgerherberge. Wir zwei Pilger und unsere Herbergsmutter mit Ihrer Freundin. Das setzt sich heute morgen in einem gemeinsamen Frühstück fort. Als ob es das selbstverständlichste der Welt ist, sitzen wir beisammen und sie erzählt Erlebnisse aus ihren Jahren hier in der Herberge. Welche Geschichte mir geblieben ist? Als eines Tages ein Ehepaar, er Pfarrer, hier in der Herberge übernachtet hat und Sonntag morgens auch beim Frühstück sassen, mit der Herbergsmutter und anderen Pilgern. Als plötzlich die Kirchenglocken erklangen. Die Frau wurde plötzlich etwas unruhig und ermahnte ihren Mann, doch nun das Frühstück zu beenden, denn schliesslich sie jetzt Gottesdienstzeit. Er blieb sitzen und antwortet: Das hier und jetzt ist mehr Gottesdienst als wir sonst so manches mal erleben. Wir bleiben heute hier und geniessen diese “Gottes”gemeinschaft.
Mit diesen und noch mehr Eindrücken geht es heute in den Tag. Heute ist ein bisschen “Heimspiel” für mich, denn es geht über Bernkastel-Kues. Diese Ecke kenne ich ein wenig von vorherigen Moselurlauben. Nur diesmal von einer anderen Seite und mit anderen Eindrücken. Aber bevor wir in Bernkastel einlaufen, sind gleich zum Start, ab der Haustüre 300hm zu überwinden, denn der Weg geht einmal wieder nicht der Moselschleife nach, sondern quert den Berg. So steil und kurz (4km) wie es den Berg hinauf geht, geht es sogleich auf der anderen Seite wieder runter und direkt am Fuss des Berges liegt Bernkastel. Zum Glück streift der Mosel-Camino das Touristengewusel nur und es geht gleich auf die andere Moselseite nach Kues. Ein schöner Weg unten an der Mosel entlang nach Lieser ist der weitere Verlauf. Dort steht direkt an der Mosel das wunderschöne Schloss Lieser vorbei. Ein Hotel mit Weingut – sehr nobel.
Dem Mosellauf noch etwas folgend, geht es dann über die Weinberge mit wenigen Höhenmetern nach Osann-Monzel. Eine Alternativroute würde unten an der Mosel verlaufen über Kesten nach Monzel. Und so ist es heute für mich eine sehr entspannte Etappe. Dies hatte ich zu Hause auch bewusst so eingebaut, mal einen Tag unter 20km, da ich nicht wusste, wie es sich im Verlauf der Strecke entwickelt. Tatsächlich ist es so, dass ich heute gut und gerne noch weiterlaufen könnte.
Für die vorbereitende Planung wäre denkbar gewesen diese und die kommenden beiden Etappen zusammenzufassen und statt drei auf zwei Tage zu verteilen. Aber da ich etwas vorsichtig geplant habe ist mein heutiges Ziel ein Gästehaus in Osann-Monzel.
Tag 6 | Osann-Monzel – Klüsserath | 18,3km / 470hm
Und ja klar, geht es gleich von der Haustüre aus den Berg hoch – wie kann es auch anders sein. Guten Morgen und Hallo-wach! Es sind zwar nur 220hm, aber die ziehen sich heute. Und schon wieder geht es, wie so manches mal in diesen Tagen, entlang eines Kreuzweges. Und unweigerlich stellt sich mir die Frage: weshalb dieses Leid und Schmerz immer wieder so ausgestellt wird. Es gibt doch so viel Strahlendes, Lachendes, Freudiges. Wie würde denn “meine” Kirche/Religion aussehen, in der ich mich angenommen und wohl fühle? Mit diesen Gedanken ziehe ich die nächsten Kilometer weiter.
Nach 5km ist die Anhöhe erreicht und es geht gleich wieder nach unten zum nächsten Ort Klausen. Eine kleine Ortschaft mit einer grossen Wallfahrtskirche und Pilgerherberge. Klausen wird als spiritueller Kraftort bezeichnet. Hätte ich mir zugetraut auch die letzten 3 Etappen zusammenzulegen und auf 2 Etappen aufzuteilen, wäre hier eine schöne Übernachtungsmöglichkeit in der Pilgerunterkunft gewesen. Da ich heute nicht allzuviel Kilo- und Höhenmeter vor mir habe gönne ich mir etwas mehr Zeit an diesem Ort und besuche die Wallfahrtskirche. Wirklich interessant wie solche Orte entstehen. So hatte ein Mann 1442 eine Klause für sich hier errichtet, um als Einsiedler hier zu leben. 1456 wurde dort ein Kloster und 1502 eine Wallfahrtskirche erbaut. So ist aus der ehemaligen Einsiedelei ein vielbesuchter Wallfahrtsort geworden. Hier in Klausen trifft auch der Eifel-Camino auf den Mosel-Camino, um von dort gemeinsam nach Trier zu gehen.
Dann wird es aber Zeit weiterzugehen. Der Weg verläuft nun sehr angenehm über Wiesen und durch Wälder und es bleibt viel Raum für mich und meine Gedanken. Auf den letzten Wiesen- und Waldwegen darf ich mich allerdings durch die Speisekammer von Wildschweinen schlagen. Heute sind es nicht die Waldfahrzeuge die eine Matschlandschaft hinterlassen, sondern die von Wildschweinen aufgewühlten Wege. Als ich einen Waldweg verlasse stehe ich unvermittelt auf einem asphaltierten Wirtschaftsweg oben im Weinberg. Mir zu Füssen eine schöne Moselschleife. Linker Hand ist Leiwen und rechts Klüsserath, mein heutiges Etappenziel.
Da es erst später Nachmittag ist gönne ich mir Zeit an diesem schönen Ort und setze mich auf eine der Aussichtsbänke. (Tipp: 1km weiter wäre die Klüsserather Schutzhütte mit Holzliegen und Weinkühlschrank – hätte ich das gewusst) So genieße ich hier die Zeit, beobachte die Schiffe, welche die Mosel befahren und lasse die Seele baumeln. Wanderer um mich herum kommen und gehen und ich darf einfach hier sein und die Zeit genießen.
Irgendwann mache ich mich dann doch auf den Weg nach Klüsserath, vorbei an der Schutzhütte, hinab zu meiner Pension. Nachdem ich geduscht habe und so aus meinem Fenster, den Weinberg hinauf schaue, überkommt es mich und ich ziehe meine leichten Zweitschuhe an. Ich mache mich nochmals auf und laufe zur Schutzhütte hoch, um dort den Abend ausklingen zu lassen. Dieser Weg geht plötzlich sowas von unbeschwert – leichte Schuhe an den Füssen, kein Rucksack auf dem Rücken. So lassen sich 5km und 170hm locker überwinden. 😊
Tag 7 | Klüsserath – Schweich | 15,8 km / 430hm
Ich lasse mir heute morgen Zeit, “verschlafe” sogar etwas, aber habe heute eigentlich nur einen “Spaziergang” vor mir. Wie sich doch die Einstellung zu Kilo- und Höhenmeter verändert, wenn man mal ein paar Tage unterwegs ist. Heute ist der Tag nicht sehr einladend, da immer wieder Regenschauer niedergehen und Wege zur Wildschweinspeisekammer umgewühlt wurden. So ist das Vorwärtskommen doch etwas zäh. Zwischen Küsserath und Schweich ist auch keine Einkehrmöglichkeit, wo ich hätte auf der ohnehin schon so kurzen Etappe mal eine “Café”-Pause einlegen hätte können. Der Höhenmeterverlauf ist auch ein leichtes bergauf und bergab. Das “highlight” heute trotz Regen ist eine grosse Schafherde auf dem Hummelsberg. Eine grosse Weidelandschaft erstreckt sich hier oben und es ist einfach schön hier ein bisschen zu verweilen und die Tiere zu beobachten. Woher weiss der Schäfer überhaupt, ob er abends alle Schafe beieinander hat? Und was macht der Schäfer denn den ganzen Tag, solange er mit seinen Tieren hier draussen ist?
Die meisten Schafe tummeln sich auf den Grasflächen, doch manche haben im Wald ihre Futterstellen gefunden. Schaut schon komisch aus, als ich durch den Wald weiterlaufe und “Waldschafen” begegne. Nett, wie die kleinen Lämmer so hinten den Bäumen neugierig hervorschauen und dich beobachten. Was die sich wohl denken? Heute beschäftigen mich viele Fragen, aber obwohl ich nicht wirklich Antworten finde – stellt sich doch ein Gefühl der Gelassenheit ein, über den Dingen stehend und alles schaffen zu können, was ich mir vornehme. Und so zieht dieser Tag heute an mir vorbei, kaum begonnen endet er auch schon.
Tag 8 | Schweich – Trier | 23,5km / 460hm
Ich wache morgens um 06.00 Uhr auf und bin hellwach. So bin ich bereits um 06.30 Uhr auf dem Weg nach Trier. Kann das sein, dass heute schon der letzte Tag, die letzte Etappe vor mir liegt? Ich habe doch eben erst begonnen diesen Weg zu gehen. Ich bin froh Schweich verlassen zu können, denn diese Stadt liegt sehr “verkehrsgünstig” – zwei Autobahnen, Bundesstrasse, Landstrassen – dem entsprechend ein unterschwelliger Lärmpegel. Der Weg führt zuerst einmal wieder weg von der Mosel, um hinter den Ortschaften Quint, Ehrang und Biewer entlang zu laufen. Heute sind mehrere kurze Anstiege die ständigen Wegbegleiter und es ist nochmals alles dabei. Asphalt, Waldwege geschottert, Wildschwein-aufgewühlt, Waldfahrzeug-gefurcht, Wiese, … als wollte diese letzte Etappe nochmals alles zusammenfassen, was in den vergangenen Tagen so war.
In der Ehranger Dorfkirche mache ich kurz Halt, blättere im Eingangsbereich in einem Büchlein und lese: “Auch der weiteste Weg beginnt mit einem ersten Schritt.” Wieviel Schritte habe ich schon getan auf diesem Weg?
Heute läuft der Weg so leicht, die Anstiege machen mir kaum noch etwas aus und ich genieße diesen letzten Tag nochmals in vollen Zügen. Nach Biewer beginnt der Weg an der Mosel entlang zu verlaufen. Die letzten Kilometer verlaufen oben am Trauf entlang und schön auch das Ziel – Trier – zu sehen. Seine römischen Prachtbauten, die Kirchen, den Dom. Vorfreude auf die Stadt, Dankbarkeit und Erstaunen das alles geschafft zu haben mischen sich mit etwas Wehmut, dass es doch bald wieder zu Ende ist.
Und plötzlich stehe ich mitten im Leben und laufe an Stauschlangen von Autos vorbei, welche nach Trier ins Zentrum fahren wollen. Dieser Lärm, diese Umtriebigkeit – fast schon wieder zu viel. Und die letzten Kilometer ziehen sich nochmals entlang der Mosel auf einem asphaltierten Geh-/Radweg. Da freue ich mich sehr, als ich am ersten Ziel der Benediktinerabtei St. Matthias ankomme. Kaum Menschen und als ich die Kirche betrete werde ich vom gregorianischen Gesang der Mönche empfangen und darf an einer Andacht teilnehmen. Dies hier ist eines von drei Apostelgräbern in Europa, denn hier lagern der Überlieferung nach die Überreste des Apostel Matthias. (in Rom – Petrus und in Santiago des Compostela – Jakobus) Ich genieße noch etwas diese Ruhe und Abgeschiedenheit bevor ich mich weiter auf den Weg zum Trierer Dom mache.
Die Stadt ist voll, denn es ist das Abschlusswochenende der “Heilig-Rock-Tage”. Dies hatte ich so nicht geplant, freue mich aber umso mehr dies miterleben zu dürfen. Im Trierer Dom wird der “Rock”/das Untergewand Jesu verwahrt. Dies ist der Legende nach nicht geteilt worden, sondern einem Soldaten als im ganzen erhaltenen Kleidungsstück zugelost worden. Der Überlieferung nach soll Helena, die Mutter von Kaiser Konstantin , den Heiligen Rock nach Trier gebracht haben. Jährlich finden Prozessionen, Konzerte, Gottesdienste anlässlich der Öffnung der Kapelle hinter dem Altar statt, wo der Heilige Rock in einer Vitrine verwahrt wird.
Was lag alles in diesen Tagen… und so lasse ich mich in der Stadt einfach treiben und nehme die Feierlichkeiten mit und mache sie zu meiner Feier!
Abreise
Ich bleibe noch eine Nacht in Trier und besuche am Morgen noch einen Gottesdienst im Dom. Der Abschied fällt sichtlich schwer, aber irgendwann fährt mein Zug und ich muss dann doch los. Als ich noch auf dem Domplatz stehe und mir überlege, wie ich zum Bahnhof komme, läuft direkt an mir eine Dame in DB-Uniform und Koffer vorbei. Ich bin so frei und spreche Sie an: “Sie sind bestimmt auf dem Weg zum Bahnhof. Darf ich mich ihnen anschliessen?” Und so gehen wir gemeinsam und sie erzählt von sich und ihrem Beruf, was sie schon erlebt hat und endet der Weg wie er begonnen hat – sei offen für Deine Mitmenschen und Du wirst viel Schönes erleben.