Wenn’s mal ein wenig länger sein darf.
Wenn es über eine Tagestour hinaus geht oder aber eine Tagestour, bei der für mehr als eine Person gepackt und getragen werden muss, ist die Qualität und Passgenauigkeit des Rucksacks aufgrund des steigenden Gewichts immer größer. Denn wenn das Rucksackgewicht über Tage und viele Stunden getragen wird, ist es noch wichtiger, dass keine Druckstellen entstehen und der Rücken möglichst viel Entlastung bei einer tagelangen Belastung erfährt. Dem kommt ähnlich viel Bedeutung zu wie dem richtigen Schuhwerk.
Wir haben den Versant 50 L Women’s von Thule zur Verfügung gestellt bekommen und weite Strecken durch die Lechttaler Alpen getragen.
Facts
Thema | Info |
---|---|
Material | 420D Cordura, 100D Nylon |
Volumen | 50 Liter |
Farben | bing, fjord |
Preis | UVP: 199,00 € |
Maße | 32 x 43 x 65 cm |
Gewicht | 1,76 kg |
Verarbeitung
Die unterschiedlichen Materialien sind strapazierfähig und abriebfest. Die Nähte sind gut verarbeitet und halten den Belastungen stand. Die Verschlüsse sind stabil und dennoch leichtgängig. Ebenso die Reißverschlüsse.
Praxistest
Der Rucksack kam im Herbst 2016 bei einer Mehrtagestour zum Einsatz.
Der Rucksack hat für die Größe ein angenehm geringes Grundgewicht. Das allerdings ändert sich natürlich beim Packen. Viel Volumen bedeutet gerne auch viel Einpacken. Und auch wenn auf Gewichtsreduktion bei den einzelnen Komponenten geachtet wird, bedeutet viel Kleinvieh eben auch Mist.
Der Thule Versant von außen
Die Konstruktion und Verarbeitung der Rückenlage verrät bereits, dass es sich hier um eine Konstruktion für lange oder auch tagelange Touren handelt. Der Komfort und die Gewichtsverteilung der Last stehen hier im Vordergrund. Die Rückenlänge kann stufenlos mittels sehr starkem Klett bis zu 12 cm verstellt werden. Hierbei ist die Polstung für den Schulterblätterbereich großzügig und flächendeckend ausgelegt. Im Bereich der Lendenwirbelsäule ist eine starke Auswölbung und Polsterung. Für Menschen mit Holkreuz super angenehm, weil eben nicht der unbelastete Hohlraum entsteht.
Der Hüftgurt ist zum einen gut 15 cm hoch, das ermöglicht eine gut Auflage und Gewichtsverteilung auf der Hüfte. Zum anderen ist er fest und stabil, so dass er nicht einschneidet und sich unter Belastung nicht verzieht. Auch er ist bis zu 10 cm in der Weite regulierbar. Hier reden wir lediglich vom gepolsterten Gurtteil.
Die vorhandenen Gurte mit Schnalle sind selbstverständlich noch einmal verstellbar. Allerdings ist die Weitenregulierung des Gurtes selbst eine wirklich wertvolle Komponente. Bei einigen anderen Modellen verschiedener Hersteller wurde in der Vergangenheit bemängelt, dass der gepolsterte Teil des Hüftgurtes oft bei Größe 38 gerade noch reicht um den Beckenkamm abzudecken. Bei mehr Hüftumfang würde das aber bedeuten, dass die Polsterung genau dort endet. Das wäre suboptimal für die Gewichtsverteilung und auf Dauer sicher auch unangenehm. Dem kann hier vorgebeugt werden. Auch hier setzt Thule auf Klett. Die Verstellung ist etwas umständlich, da die Klettverschlüsse nicht so gut zugänglich sind, aber die Einstellung ist i.d.R. ja einmalig. Zudem können die Gurte auf beiden Seiten in der Weite reguliert werden, so dass die Gurtsschnalle immer in der Mitte bleiben kann.
Auf der rechten Seite ist im Hüftgurt eine Reißverschlusstasche eingearbeitet für Kleinteile wie Taschentücher oder ein Bonbon. Da der Hüftgurt eine ordentliche Höhe hat, fällt auch die Tasche erfreulicherweise nicht zu klein aus. Auf der linken Seite verfügt der Hüftgurt über eine abklippbare wasserdichte Tasche mit Faltrand. Sie ist so groß, das sein kleiner Fotoapparat, der Geldbeutel oder aber das Mobiltelefon gut darin Platz finden. Da die Tasche abklippbar ist, kann sie einzeln mitgeführt werden, auch wenn der Rucksack z.B. an der Hütte oder für einen Kurztripp zu einem Gipfel ohne den großen Rucksack abgestellt wird. Diese Tasche hat den großen Vorteil, dass man auch bei Regen auf ein paar Dinge direkt zugreifen kann. Denn entweder wären diese im nicht wasserdichten Reißverschlussfach auf der anderen Seite oder aber im Rucksack unter dem Regencape verstaut.
Rückenpolster und Hüftgurt sind mit einem feinvernetzten Gewebe überzogen, das atmungsaktiv ist und die Feuchtigkeit gut aufnimmt und abtrocknen lässt. Für Menschen die sehr stark schwitzen kann es vielleicht aufgrund der sehr geschossen flächigen Körperauflage nicht ganz das Richtige sein. Aber der Komfort ist hervorragend.
Die Schultergurte sind ausreichend gepolstert und von einer angenehmen Dicke. Sie sind sehr gut belüftet, indem breite Schlitze in den Schaustoff eingearbeitet sind, die auf der Außenseite lediglich mit Mesh überzogen sind. Die ergonomische Form ist auf die weibliche Figur zugeschnitten, d.h. sie drücken und reiben nicht an der Brust, sondern führen daran vorbei. Die Höhe des Brustgurtes ist über 20 cm verstellbar, so dass jede die für sie passende Position finden kann. Leider befindet sich keine Pfeife am Verschluss des Brustgurtes. Die Schultergurte haben auch bei einer Dreitageswanderung mit gut 10 kg Gesamtgewicht und teilweise heißen Temperaturen nie gerieben.
Das Innenleben
Bereits im Deckel befinden sich drei großzügige Reißverschlussfächer. Das ist hervorragend um all die Dinge für den häufigen oder schnellen Zugriff zu verstauen. Der Nachteil liegt aber beim Benutzer. Hier wurde z.B. das First-Aid-Kid mit hinein gepackt. Dadurch wurde der Deckel aber sehr schwer. Aber dafür kann ja der Hersteller nichts.
Im Inneren des Rucksacks befindet sich dann nur noch ein großes Einschubfach am Rückenteil, in welches z.B. eine Trinkblase gesteckt werden kann. Eine Halterung mit kleinem Steckverschluss und ein entsprechender Ausgang für den Trinkschlauch sind vorhanden. Erfreulicherweise ist dies in beide Richtungen möglich. Viele Rucksäcke haben die Vorrichtung nur für Rechtshänder.
Die Öffnung des Hauptfaches ist mit einem Schnellverschluss mit Kordelstopper versehen. Außen befindet sich noch ein weiteres großes dehnbares offenes Fach, in welchem z.B. eine Jacke verstaut werden kann. Von hiesiger Seite waren hier Halstuch, Mütze, Armlinge etc. verstaut. Ein schmaler Gurt mit Steckverschluss reguliert die Weite und sichert den Inhalt vor dem Herausfallen.
Mit einem U-förmigen Rundumreißverschluss (Panel Loader) kann von außen auf nahezu jede Stelle im Innenfach zugegriffen werden. Sofern man weiß, wo sich was genau befindet ermöglicht das einen schnellen Zugriff ohne alles auspacken oder durchwühlen zu müssen. Der einzige Nachteil ist, dass dieser Reißverschlus unter insgesamt 4 Kompressionsriemen liegt. Ganz ungehindert kommt man also nicht bei. Andererseits entlasten die Kompressionsriemen auch den Reißverschluss. So lässt er sich besser öffnen und bleibt länger gut erhalten.
Auf beiden Seiten im unteren Bereich befinden sich offene Seitenfächer. Damit man auch alleine immer an seine Getränke kommt, sind diese schräg nach vorne ausgerichtet. Für diesen Zweck sind sie wirklich hervorragend und man kann seine Flasche mit etwas Geschick auch selbst wieder verstauen. Auf einer Seite lässt sich das Volumen dieser Fächer mittels einer Reißverschlussfalte noch erweitern. Die Öffnungen der Fächer sind mit einem starken Gummiband versehen, so dass sie noch deutlich gedehnt werden können. Will man andere Gegenstände wie Sonnenbrille o.ä. dort verstauen, muss man einfach schauen, ob diese dort sicher aufbewahrt werden können oder vielleicht doch heraus fallen Könnten.
Und noch mehr außen dran….
Die Stockhalterungen sind universell. Am unteren Rucksackrand befinden sich sowohl kleine als auch große Schlaufen. In die oberen Kompressionsriemen ist jeweils ein weiterer Nylongurt mit Klett eingearbeitet, so dass die oberen Stockenden dort fixiert werden können.
Mittels den Kompressionsriemen kann das beachtliche Volumen des Rucksacks deutlich minimiert oder aber der Inhalt gut fixiert werden.
Der Regenschutz ist im vorderen unteren Bereich des Rucksacks mit eingearbeitet. Dies hat den Vorteil, dass, sofern man zu zweit ist, der Rucksack nicht abgenommen werden muss, um den Regenschutz überzuziehen. Er ist abklippbar, so dass er gesondert getrocknet oder auch mal gereinigt werden kann.
Der Regenschutz dieses Thule Rucksacks ist insofern etwas besonderes, weil er eine Kombination ist. Der untere Teil des Rucksacks ist bereits aus wasserdichtem und robustem Material gefertigt. So bleibt der Zugriff auf die Seitenfächer erhalten und der Inhalt ist auch geschützt, wenn es zwar nicht mehr regnet, der Untergrund aber nass ist und man ohne Regenschutz den Rucksack einmal absetzen muss. Das Cover selbst schützt die oberen 2/3 des Rucksacks und wird nur an wenigen Punkten fixiert. So ist durch einfaches abstreifen des Covers ohne Lösung der Fixierpunkte der Zugriff auf den Inhalt möglich. Dies ist wirklich eine gute und durchdachte Lösung.
Bei 8 Stunden Nieselregen und ausflockendem Nebel blieb alles angenehm trocken. Ein weiterer Vorteil dieser Konstruktion des Regencapes ist, dass sich kein Regenwasser im unteren Bereich sammeln kann. Bei starken Güssen kommt es beim herkömmlichen Sitz eines Capes trotz vorhandenem (meist sehr kleinen) Ablaufloch vor, dass sich Wasser, dass am Rücken und Rucksack entlang läuft dort sammelt. Erstens ist dies zusätzliches Gewicht mit der Zeit und zum anderen ausgesprochen unangenehm, wenn sich dieser “See” dann entleert. Dies kann mit dieser Konstruktion nicht passieren.
Das Versant Higlight
Ein Highlight ist auch der kleine 3-Punkt-Extrarucksack, der mit wenigen Handgriffen aus dem Deckelfach entstehen kann. Hierzu sind in einer der Deckelfachtaschen die entsprechenden Gurte vorhanden. Weil auf den ersten Blick nicht wirklich ersichtlich, sind die Steckverbindungen am Deckelfach und an den Gurten mit Zahlen von 1-3 nummiert.
Diese Funktion wurde durch die Testerin bei der Dreitagestour genutzt um den 10-kg-Rucksack stehen lassen zu können (am Rand des Höhenwanderwegs) und nur mit dem kleinen Rucksack (Jacke, Mütze, Wertgegenstände und Getränk darin) einen Gipfel mit kleineren Kletterpartien zu erklimmen. Wunderbar! Natürlich ist der Komfort nicht überragend, aber auf jeden Fall besser als den großen mitschleppen zu müssen. Das Fassungsvermögen war ausreichend. Wir waren ca. 2 Stunden unterwegs.
Dadurch, dass der Deckel abnehmbar ist, sind natürlich weitere Gurte und Steckverschlüsse erforderlich. Dadurch kann aber auch weiterer Stauraum zwischen Hauptfach und Deckel entstehen und das Gesamtvolumen somit erhöht werden. Der Abschluss des Hauptfaches ist entsprechend mit einem längeren Schlauchteil versehen, so dass auch der dort verstaute Inhalt nicht ungeschützt ist..
Aufgrund der Summe der Gurte und Steckverschlüsse wäre (zwar zu Lasten des sehr harmonischen Farbkonzepts) eine optische Hervorhebung manchmal ganz hilfreich.
Ein schmaler, aber doppelt genähter Nylongurt oberhalt der Schultergurte dient als breiter Tragegriff, ohne in irgendeiner Form zu beeinträchtigen.
Es gibt auf der Vorderseite und auf dem Deckel noch weitere kleine Schlaufen um weitere Utensilien zu befestigen.
Pro / Contra
Der Thule Rucksack überzeugt durch seine gute Verarbeitung und viele nützliche Extras wie z.B. die wasserdichte abklippbare Tasche am Hüftgurt, den kleinen Rucksack aus dem Deckelfach oder die Hüftgurtverstellung.
Auch die Regencoverlösung ist sehr durchdacht. Ebenso die schräg angeordneten Flaschenfächer. Der Tragekomfort ist unter anderem durch die Rücken- und Hüftgurtverstellmöglichkeiten und die gute Polsterung sehr hoch.
Einzig eine Pfeife am Brustgurt würde dem Rucksack noch fehlen.
Fazit
Der Versant 50 Liter von Thule für 200 Euro ist ein durchdachter und robuster, dennoch leichter, Mehrtagestourenrucksack für Frauen, der keine Wünsche offen lässt.
Der Tragekomfort ist sehr gut, unter anderem weil er an mehreren Stellen individuell einstellbar ist. Mit diesem Rucksack ist FRAU bei jedem Wetter auch auf langen Touren und mit viel Gepäck bestens beraten.
Alle Praxistests auf Outdoortest.info werden gemäß dem Outdoor Blogger Codex durchgeführt und sollen dem Benutzer sowohl die positiven aber auch negativen Aspekte des Produktes aufzeigen.